Es war ein Samstag vormittag. Ich war der Brandmeister vom Dienst (BvD) der Ortsfeuerwehr Goslar und saß zusammen mit meiner Familie beim Frühstück. Wir stellten uns ein schönes, ruhiges Wochenende vor. Da piepte mein Funkmeldeempfänger. Die Meldung lautete “Unterstützung Rettungsdienst nach Reanimation”. Da musste also eine Person aus einem Haus gebracht werden. Entweder war sie zu schwer und der Rettungsdienst benötigte Tragehilfe, oder die Örtlichkeit war so verwinkelt und unsere Drehleiter wurde benötigt.
Nachdem ich schnell meine Einsatzkleidung angezogen hatte und über Funk in meinem BvD-Kommandowagen genauere Informationen zum Einsatz bekam, stockte mir der Atem. Oh Gott! Die Adresse kennst Du, den Namen auch! Mein Feuerwehrkamerad Dieter benötigte in seiner Wohnung unsere Hilfe. Es hieß in der Einsatzmeldung “nach Reanimation”. Dieter, mit dem ich viele Kindergeburtstage zusammen feiern konnte, lag also nach einer Reanimation in seiner Wohnung. Sein Herz war heute früh stehen geblieben.
Nach einer Reanimation sind Patienten nicht immer sehr stabil. So ging es also darum, so schnell wie möglich die Einsatzstelle zu erreichen. Das war sicher nicht nur mein Wunsch, sondern der Wunsch aller Kameraden, die sich nun auf den Weg zur Feuerwache machten. Ich fuhr mit Blaulicht und Sondersignalen den Einsatzort an, die Kameraden in ihren Privatwagen die Feuerwache. Ich glaube, dass ich noch nie so schnell zu einem Einsatz gefahren bin – trotzdem kam mir die Fahrt unendlich vor. Die letzen Meter entgegen der Einbahnstraße in die Marktstraße und ich war da.
Nachdem ich in die Wohnung gestürmt war, konnte ich sofort mit dem Notarzt sprechen. Dieter war stabil und es ging ihm den Umständen entsprechend. Eine kurze Umarmung seiner Frau und einige wenige tröstende Worte – da war auch schon unsere Drehleiter vor Ort. Professionell und schnell wurde sie in Stellung gebracht. Nichts anderes üben wir, das ist Standard. Doch in diesem Fall ist die Situation eine andere. Eben nicht Standard. Wir müssen einen von uns retten.
Und wir haben ihn gerettet. Na ja, eigentlich hat der Notarzt Klaus L. und der Nachbar Klaus E. zusammen mit Dieters Frau Sabine die bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes die Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Dieter durchführten, unseren Kameraden gerettet. Wir haben eigentlich nur unterstützt, in dem wir Dieter mit der Drehleiter schnellstmöglich in Richtung Rettungswagen transportieren konnten. Denn das Treppenhaus war für einen Transport zu eng.
Oh Gott! Dieter hat es geschafft und ist wieder bei uns. Dank seiner Frau Sabine, der beiden Klaus, Dank unserer Kameraden und einer Drehleiter, die jeden Cent ihrer Anschaffung wert ist! Was mich nur nachdenklich stimmt ist die Diskussion, die kurz nach diesem Einsatz in Politik und Rat angesichts einer anstehenden Neubeschaffung der Drehleiter ausbrach. Aber das ist vergessen. Seit einer Woche haben wir diese neue Drehleiter im Einsatz. Möge sie uns helfen, bei Bedarf viele Menschenleben retten. Aber hoffentlich müssen wir nicht noch einmal einen von uns retten. Denn die Belastung war für uns alle immens emotional. Umso mehr freue ich mich heute, wenn wir sagen können: “Dieter, schön dass Du wieder bei uns bist”.